Ein Kind? Gerne, aber bitte gesund!
Im Zeitalter der Pränataldiagnostik bieten sich vielen Schwangeren Möglichkeiten, von denen sie vorher gar nichts wussten. Nackenfaltenmessung, Blutwerte, Fishtest, Feinultraschall, Fruchtwasseruntersuchung, Chorionzottenbiopsie und andere Untersuchungen werden im Laufe der Schwangerschaft angeboten. Als sei das ganze ein Wunschkonzert. Viel zu viele Frauen wissen gar nicht, warum und mit welcher Konsequenz sie solche Untersuchungen machen sollten. Schlimmer noch, wenn sie in manchen Fällen sogar einfach so, ohne Einverständniserklärung, durchgeführt werden, oft genug bei den Blutwerten der Fall. Ärzte bieten meist die Untersuchungen zum Selbstzahlerpreis an. Aufklärung, was eine solche Untersuchung bedeutet, welche Risiken sie im Vergleich zum Nutzen trägt, wird dabei oft vergessen. Nicht jede Frau ist sich aber klar darüber, zu was eine solche Untersuchung führen kann.
Die Frage, die sich ja unwillkürlich stellt, ist, was geschieht bei einem schlechten Ergebnis? Die Frage, die sich mir stellt, ist, was ist ein schlechtes Ergebnis? Ein behindertes Kind? Was ist überhaupt behindert? Ist behindert gleichzusetzen mit nicht normal? Wollen wir nur normale Dinge in unserer genormten und uniformen Welt? Welche Krankheiten werden noch akzeptiert und welche nicht? Wer bestimmt die Grenze und sind die Menschen überhaupt in der Lage, Krankheiten einzuschätzen? Ich kenne alleine in meinem Bekanntenkreis zwei Frauen, denen ein Abbruch um die 20.Woche von Ärzten nahegelegt wurde, deren Kinder anschließend beide kerngesund zur Welt kamen. Erschreckend. Viele Menschen denken ja auch, dass das Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung 100%ig ist. Ist es aber nicht. Es kann auch falsch negativ sein. Also bricht man im schlimmsten Fall die Schwangerschaft mit einem gesunden Kind ab, um das Risiko ein krankes zur Welt zu bringen, zu vermeiden?
Ich bin für Schwangerschaftsabbrüche. Ich gestehe jeder Frau das Recht zu, zu entscheiden, wann und ob sie ein Kind bekommen möchte. Ich persönlich kann nur nicht nachvollziehen, warum Frauen teilweise jahrelang einen Kinderwunsch hegen, um dann eine Schwangerschaft bei einer verdickten Nackenfalte abzubrechen. Überspitzt ausgedrückt. Ich habe als Physiotherapeutin lange mit leicht und mehrfach schwer behinderten Kindern gearbeitet und frage mich, warum die Menschen solche Angst davor haben. Man sieht heute kaum noch Kinder mit Down-Syndrom. Warum? Weil sie größtenteils abgetrieben werden. Das macht mich traurig. Ich bin überzeugt davon, dass die Natur vieles regelt. Was nicht lebensfähig, wird sterben. So hart es klingt. Was leben soll, wird leben.
Eine Frau, die keine Pränataldiagnostik durchführen ließ und dann ein Kind mit Trisomie 13 geboren hat, welches zehn Tage nach der Geburt verstorben ist, sagte: Ich konnte wenigstens meine Schwangerschaft genießen und durfte mein Kind zehn Tage in den Armen halten.“
Ich möchte dazu die unvergleichliche Gabriela aus ihrem Blog sprechen lassen:
http://aufeinanderzu.blogspot.com/
„‚Hauptsache ist doch, das Kind ist gesund‘, hatte mir meine Gesprächspartnerin zum Schluss gesagt, als ich ihr am Telefon von der Not erzählt hatte, welche mein unglaublich starker Wunsch nach einem Mädchen in mir hervorrief. Nun sass ich auf dem Stuhl neben dem Telefon und strich mit der Hand über den runden Bauch. – Wirklich, ist das die Hauptsache? – Und wenn ich die Wahl hätte zwischen einem Jungen mit 46 und einem Mädchen mit 47 Chromosomen? – Wie würde ich wählen? Wir hatten die Wahl nicht, doch die Antwort brachte uns ein paar Wochen später, am 17. April 2007, das heissersehnte Mädchen selber: Mit ihrem Extrachromosom schickte Mirjam Dorothea uns auf einen ganz neuen Weg und lehrt uns das Leben neu. Als Mutter von diesem besonderen Kind und seinen sechs ebenso einzigartigen Geschwistern begegnet mir das Leben tagtäglich in seiner reichen, manchmal auch überreichen Fülle. Dies schreibend zu reflektieren ist ein erstes Ziel für meine zaghaften Gehversuche in der Bloggerwelt.“
„Am 17. April 2007 kam Mirjam in unsere Welt. Sie brachte ein Chromosom mehr mit als ihre Geschwister und damit die Kraft, ganz schön viel zu bewegen. Dieses Blog begleitet mich zurück in die Erinnerungen an die Zeit vor der Geburt, an die ersten Lebenswochen, hinein in das Gefühlschaos nach der Diagnose, soll jedoch auch aktuelle Erlebnisse aus ihrem Alltag und unserem mit ihr zeigen.
Am 14. Februar 2009 hat uns unser Sonnenschein wieder verlassen. Dafür war das Blog nicht vorgesehen, nie und nimmer. Und nun versuche ich, das aufeinanderzu neu zu verstehen.“
Liebe Grüße, Tini
Also auch wenn der Artikel schon etwas älter wird, ich fand ihn toll und kann dir nur beipflichten. Ich verstehe es auch nicht, da wünschen sich manche Frauen über Jahre hinweg ein Kind und dann machen sie einen Abbruch nur weil das Kind vielleicht etwas langsamer lernen würde als ein „normales“ (ich weiß doofer ausdruck) … nun natürlich bleibt es jeder Frau selbst überlassen. Doch wenn man ein Kind möchte, dann geht es doch um das eigen Fleisch und Blut und nicht darum wie schön, klug oder „groß“ es wird oder?
Hallo Betty,
schön, dass Du den Artikel, wenn auch schon älter, noch gelesen hast. Mir liegt am Herzen, dass jeder Mensch selbst entscheiden darf, aber um entscheiden zu können, braucht es Wissen, was oft mangelhaft vorhanden ist. Genau wie Du schreibst, es geht in dem Moment um MEIN Kind und Frauen sollten sich darüber bewusst sein, dass es kein allgemeingültiges Maß für „krank“ oder „gesund“ gibt.
Herzliche Grüße
Miriam