Ich mag Privatkunden!
Unter Übersetzern ist ein beliebtes Diskussionsthema, ob man für Privatkunden arbeitet oder nicht. Zahlreiche Kommentare gibt es dahingehend, dass sich das wegen der geringen Auftragsmenge doch gar nicht lohne und schon die Anfragen oft nervten, weil man keine Zeit investieren wolle. Ich sehe das ganz anders, denn ich schätze meine Privatkunden sehr. Als Übersetzer/Texter/Lektor verbringt man sehr, sehr viel Zeit alleine am Schreibtisch. Das ist oft schön, um in Ruhe arbeiten zu können, aber Kontakt mit Menschen ist ja auch was Feines.
Übersetzung von Urkunden
Privatkunden, die einen Übersetzer suchen, benötigen meistens eine beglaubigte Übersetzung eines Dokuments zur Vorlage in irgendeiner Behörde. Also z. B. eine Geburtsurkunde aus Lateinamerika, weil man in Deutschland heiraten möchte. Tatsächlich sind die meisten meiner Privatkunden, die Übersetzungen benötigen aus Lateinamerika. Für mich ist das toll. Denn ich habe leider sonst wenig Übersetzungen aus meiner Lieblingssprache Spanisch. Außerdem lernt man dabei immer wieder etwas über die Länder, aus denen die Urkunden stammen. Oft habe ich beim Telefonat mit dem Kunden oder beim persönlichen Abholen auch die Gelegenheit, Spanisch zu sprechen, was mich immer freut, auch wenn ich manchmal bei Anrufen etwas überrumpelt bin und nicht so schnell den Sprachmodus wechseln kann. Die meisten Kunden rufen an und ich kann mir ein Bild von der Person machen, besser als per Mail zumindest. Wer mich natürlich beim ersten Anruf schon anblafft oder sehr unhöflich ist, für den habe ich leider keine Zeit. Da Privatkunden in der Regel sonst selten mit Übersetzern zu tun haben, sind sie oft ahnungslos, was das Procedere angeht. Auch wenn manche Kollegen dies als lästig empfinden, habe ich kein Problem damit und erkläre es gerne. Woher soll jemand, der noch nie eine Übersetung benötigt hat, es denn wissen? Wenn ich die benötigte Sprachkombination nicht anbiete (was häufiger passiert, da komischerweise oft vergessen wird, bei der Suche nach der Sprache zu schauen, die derjenige übersetzt, frei nach dem Motto: „Aber Sie sind doch Übersetzerin?“ „Ja, aber ich spreche leider nicht alle Sprachen der Welt.“), verweise ich die Kunden gerne an eine Kollegin oder einen Kollegen, von denen ich weiß, dass sie es können. Weiß ich niemanden, schicke ich ihnen den Link zur Homepage des Bundesverbands der Übersetzer und Dolmetscher e. V. (www.bdue.de), denn dort kann man gezielt nach Sprachen/Muttersprachlern suchen und auch nach Ermächtigung/Vereidigung filtern. Dafür sind die meisten sehr dankbar. Ich erlebe es auch eher selten, dass potenzielle Kunden eine Standardanfrage an viele Übersetzer schicken, um sich dann den günstigsten rauszupicken. Die meisten sind eher froh, jemanden gefunden zu haben. Da es in meiner Umgebung nicht so viele ermächtigte Übersetzer für Spanisch zu geben scheint, ist dies für mich natürlich prima. Die meisten Kunden holen ihre beglaubigten Übersetzungen persönlich bei mir ab, um mir dann auch das Originaldokument vorzulegen, von dem ich die Übersetzung beglaubige. Sie bezahlen dann bar. Das ist mit sehr wenigen Ausnahmen immer sehr nett und so komme ich mal zu einem kleinen Plausch bei der Arbeit. Außerdem halten die Kunden ihre meist dringend benötigten Dokumenten sofort in den Händen und warten nicht ungeduldig auf Post. Neulich hatte ich einen sehr netten Kunden, der mir bei der Abholung erzählte, dass er erst in einem bekannten Übersetzungsunternehmen angefragt hat, das er sich persönlich angesehen hat. Dort hatte er kein gutes Gefühl und kam sich vor wie eine Nummer, also suchte er weiter und fand mich. Er fand es dann viel sympathischer, mich anrufen zu können und zu wissen, wer genau seine Übersetzung macht und sagte mir, dass er es bei einer Agentur kein gutes Gefühl hatte, weil andere als nur der Übersetzer mitverdienen. Er hatte fünf Dokumente, die er benötigte, was in diesem Fall auf 260 Euro hinauslief. Vermutlich wird er auch noch weitere Dokumente benötigen und ich bin sicher, er wird sich dann wieder bei mir melden. Also habe ich einen Kunden gewonnen. Oft empfehlen mich Kunden auch im Bekanntenkreis oder auf dem Amt, wo sie die Dokumente vorlegen, weiter.
Eine Sache, die ich an Privatkunden auch sehr mag, ist, dass ich aufgrund der persönlichen Dokumente einen kleinen Blick auf den Menschen werfen darf und etwas über ihn erfahre. Dass ich das mag, ist vermutlich ein Rudiment aus meiner Zeit als Physiotherapeutin, als ich täglich mit sehr vielen Menschen und Geschichten in Kontakt kam.
Lektorat medizinischer Dissertationen
Die anderen Privatkunden, mit denen ich häufig zu tun habe, sind (angehende) Ärzte. Viele möchten von sich aus ein Lektorat, bevor sie ihre Doktorarbeit endgültig abgeben. Immer häufiger kommt es auch vor, dass der Betreuer gesagt hat, dass die Arbeit an sich zwar gut ist, aber sie nochmal jemand sprachlich draufschauen und den Text korrigieren lassen sollen. Diese Entwicklung finde ich sehr begrüßenswert. Was nützt die tollste wissenschaftliche Arbeit, wenn sie vor Rechtschreibfehler strotzt und chaotisch aussieht. Und ja, viele Arbeiten sehen echt schlimm aus. Aber ich freue mich sehr, dabei helfen zu können. Die meisten Kunden nehmen die Änderungen gerne an und sind froh, dass ich sie auf Dieses und Jenes aufmerksam gemacht habe, weil sie selber vor lauter Bäumen schon keinen Wald mehr gesehen haben. Wenn es total brennt und der Abgabetermin naht, habe ich für so manchen Kurz-Vorm-Durchdrehen-Stehenden auch schon mal die letzten Verzeichnisse und widerspenstigen Tabellen in Form gebracht. Die meisten sind unendlich dankbar für Hilfe bei diesen unbeliebten Arbeiten – mir macht es Spaß. Perfekt, oder?
Zahlungsmoral bei Privatkunden
Gut. Die Zahlungsmoral meiner Kunden ist sehr gut. Die Kunden mit Urkunden zahlen in der Regel immer direkt vor Ort. Die Mediziner fragen fast alle, ob sie es vorher überweisen sollen, was sie bei mir nicht brauchen. Ich schicke, wenn der Auftrag erledigt ist, eine Rechnung. Bisher zahlten alle, sogar überpünktlich. Ich weiß, dass ich mich da glücklich schätzen kann. Aber ich verlasse mich einfach auf mein Bauchgefühl.