Wie ist das denn jetzt mit den Kassiererinnen?
Schon lange wollte ich etwas über Kassiererinnen, Supermarkterlebnisse oder ähnliches schreiben. Dem ist man mir nun zuvor gekommen. Plötzlich ist das Thema der Kassiererin ganz aktuell in den Medien. Angefangen hat vermutlich alles mit der Berlinerin Kassiererin Barbara E., die bei Kaiser´s nach 15 Jahren Tätigkeit entlassen wurde. Die Frau soll Pfandbons im Wert von 1,60 Euro unterschlagen haben. Und da im Arbeitsrecht anders als im Strafrecht der Verdacht eines Diebstahls reicht, um einen Angestellten zu entlassen, ist Kaiser´s laut Gesetz im Recht. Tja, so ist das eben. Was interessiert es die Gerichte, dass die Frau sich in all den Jahren nichts zu Schulden kommen ließ. Oder dass es absolut schwachsinnig wäre, wegen 1,60 Euro seine Arbeitsstelle zu riskieren? In manchen Firmen sind Mitglieder des Betriebsrats nicht gern gesehen und schon gar nicht, wenn sie sich für die Rechte der Mitarbeiter einsetzen. Nein, in diesen harten Zeiten kann man da keine Gnade walten lassen.
Aber zurück zu den Kassiererinnen. So kamen sie also ins Gespräch. Vor kurzem las ich in der EMMA einen Artikel über die französische Kassiererin Anna Sam, deren Buch Die Leiden einer jungen Kassiererin gerade auf Deutsch erschienen ist. Sie beschreibt in ihrem Buch die Position der oftmals gedemütigten und unfreundlich behandelten Kassiererin, die mit Piepen im Ohr nach Hause geht, wenn sie denn mal Feierabend hat. Kurz darauf, genauer gesagt, am 05.03.2009, lese ich im Kölner Stadtanzeiger einen Kurzkommentar von Stefan Knieps zum Thema Supermarkt-Kassen. Ihm ist das alles viele zu viel Fragerei (Haben Sie eine Paybackkarte?) und überhaupt möchte er doch nur einkaufen. Dass er sich schlussendlich auch noch Turbokassen nach seinen persönlichen Vorstellungen ausmalt, zeugt davon, dass er beim Einkaufen in möglichst minimalistischen Kontakt mit einer Kassiererin treten will. Schließlich will man ja einkaufen und keine Gespräche führen. Wär ja auch noch schöner.
In derselben Woche dann erscheint im freitäglichen Magazin der Süddeutschen Zeitung ein Artikel Die Kassiererin, welcher die offensichtlich unzumutbaren Arbeitsbedingungen der Kassiererinnen und die Position der Person an der Kasse beleuchtet und Bezug auf das Buch von Anna Sam nimmt. Der Artikel beschreibt dabei auch sehr schön das Bild der Kassiererin in der gegenwärtigen Literatur. Ein von Unmündigkeit und Passivität gekennzeichnetes Bild, welches im dümmsten Fall auch noch Männerfantasien ausfüllt.
Wenn ich all diese Berichte jetzt nicht gelesen hätte, hätte ich geschrieben, dass ich einen vollkommen anderen Eindruck habe. Ich begegne den meistens Menschen erst mal freundlich. In der Begegnung mit sehr vielen Kassiererinnen allerdings führt dies zu sehr viel Irritation meinerseits. Denn zumeist bin ich die, die Guten Tag sagt, wobei Kassiererinnen häufig a) gar nicht reagieren, b) verwirrt leicht den Kopf heben und mich anschauen oder c) freudig zurück grüßen. Leider sind letztere die seltensten Begegnungen. Ich wunderte mich bisher darüber, dass es zu viel zu sein scheint, dem Kunden an der Kasse freundlich zu begegnen. Denn letztendlich sind wir an der Kasse Kunden, die man üblicherweise gut behandeln sollte. Allerdings geht es im Falle einer Kassiererin natürlich nicht darum, dass sie uns etwas direkt verkaufen will, denn wir kommen ja bereits mit unserem fertigen Einkauf zu ihr und wollen bezahlen. Wir wollen zwar etwas von ihr, aber sie will ja schließlich auch unser Geld. Mir kam es bisher immer so vor, als müsse man sich um Supermarktkunden nicht bemühen, denn die kommen ja ohnehin wieder, da der Supermarkt gleich um die Ecke liegt und man nicht den Supermarkt wie den Arzt wechselt, wenn man sich schlecht behandelt fühlt. Reklamiert man einen falsch eingegebenen Preis, bekommt man oft nur ein mürrisches Ach so, das ist hier schon falsch eingegeben, statt einer Entschuldigung, die ich in solchen Fällen eigentlich für angebracht hielte. Pfandbons werden einem mehr oder weniger aus der Hand gerissen, bevor man etwas dazu sagen kann und mein Einkaufswagen wird wortlos um die Kassenecke gezerrt und mit skeptischem Blick auf geklaute Lebensmittel geprüft. Erst vor wenigen Tagen hatte ich ein Erlebnis, bei dem ich laut lachen musste: Ich stand schon an der Kasse. Währen die Kassiererin meine Einkäufe scannte, holte ich zwei Stofftaschen aus meiner Umhängetasche, in denen ich die Einkäufe verstauen wollte und legte sie deshalb in den Einkaufswagen vor mir. Sofort blaffte mich die Verkäuferin an, sie wolle in die Taschen schauen. Ich lachte laut los und sagte ihr, dass sie doch gesehen habe, dass ich die gerade aus meiner eigenen Tasche genommen hätte. Sie bestand jedoch darauf, in die Taschen zu blicken.
Es gibt in meinen Augen zwei Möglichkeiten: Entweder sehe ich so aus, als ob ich klaue, die Diebstähle dann in meine Tasche packe, um sie dann an der Kasse wieder auszupacken (?) oder die Kassiererin ist so gedrillt darauf, Taschen zu kontrollieren, dass sie den Sinn ausblendet und nur den Befehl ausführt. Ich befinde mich nun in dem Dilemma, dass ich nicht weiß, ob ich Mitgefühl mit den Kassiererinnen haben soll oder sie trotzdem weitestgehend unfreundlich finde. Vielleicht ist das ganze eine Mischung aus verschiedenen Komponenten: Druck am Arbeitsplatz, unfreundliche und genervte Einkäufer ohne Zeit an der Kasse und keine Freude an der Arbeit wissen tue ich es leider nicht (würde mich aber wirklich interessieren). Dagegen spricht allerdings, dass es durchaus nette Kassiererinnen gibt, die auf meine Freundlichkeit ebenso reagieren. Allerdings schreibe ich hier nur meine Sicht auf die Kassiererin nieder. Ich schreibe nicht von den vielen unfreundlichen Menschen, die Sprüche wie Geht das auch schneller raushauen, erst fünf Minuten vor Ladenschluss den Supermarkt betreten und sich unnötig viel Zeit lassen oder die wortlos ihren Schein an die Kassiererin reichen und diese vermutlich nicht mal richtig wahrnehmen.
Letztens fragte mich eine Kassiererin beim Abwiegen des Obstes, um welche Frucht es sich denn nochmal bei der aufgelegten Mango handle. Ich antwortete ihr: Weiß ich nicht, Sie lieben doch Lebensmittel! Worauf sie mich erst ungläubig ansah und dann in ein herzliches Lachen ausbrach, in das ich einfiel. Einkaufen kann eben auch Spaß machen. Wenn man es selber will.
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